Das Erleuchten geht weiter

erschienen in der Zeitschrift „Connection Spirit“ Ausgabe Januar/Feburar 2015 (hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Wolf Schneider- hier geht es zur Website der Connection)


Torsten Brügge und Padma Wolff sprechen über ihre Bodhisattva-Schule

Vielen Connection-Lesern ist Torsten Brügge als Autor und Blogger wahrscheinlich bekannt. Zusammen mit seiner Partnerin Padma Wolff leitet er seit 2010 in Hamburg die Bodhisattva-Schule. Diese bietet im norddeutschen Raum Seminare in »Integraler Tiefenspiritualität« an, bald auch überregional. Wolf Schneider hat nachgefragt, was es damit auf sich hat

Hallo Padma und Torsten, ihr nennt eure Schule »Bodhisattva-Schule«. Ist das nicht ganz schön hoch gegriffen: Schüler zu Bodhisattvas auszubilden, also zu Erleuchtungswesen, die aus Mitgefühl mit den noch leidgebundenen Wesen darauf verzichten, ins Nirvana einzugehen, ins ultimative Verschwinden?

Torsten: In unserer Schule geht es uns darum, etwas scheinbar Paradoxes zu vereinen. Einerseits sind wir schon das reine, in sich erfüllte, unpersönliche Gewahrsein, auf das der Begriff »Erleuchtungswesen« hinweist. Dafür brauchen wir nichts zu tun. Man könnte sogar sagen, dass das meiste Tun diese Wahrheit eher verdeckt. Entspannen wir uns von der Anstrengung des Erreichenwollens – sogar vom Streben nach Erleuchtung –, dann erkennen wir den Frieden und die Freiheit, die immer schon da sind. In diesem Sinne ist unser absoluter Wesenskern schon immer erleuchtet! Wir bilden also Bodhisattvas aus, indem wir sie einerseits darin unterstützen, zu erkennen, was schon hier ist. Wir arbeiten sozusagen nur heraus und erkennen an, was sie bereits sind.

Andererseits kann und muss die Klarheit dieser Erkenntnis auch in unser ganz normales, persönliches Alltagsleben hineinscheinen. Erst dann erweist sie sich auch auf allen relativen Ebenen als wahr: im Arbeitsleben, in Beziehungen, in sämtlichen Aspekten unseres Fühlens, Denkens und Handelns. Dieses Reifen zu allumfassender Freiheit braucht oft eine nachhaltige Bewusstheitspraxis. Zusätzlich vermitteln wir unseren Schulteilnehmern noch Fertigkeiten, die ihnen dann als geschickte Mittel in ihrem weiteren »Einsatz« auch für Andere zur Verfügung stehen.

Für uns gibt es da allerdings kein Ziel, keinen perfekten Zustand, der irgendwann erreicht werden könnte, wie etwa: »Dann bist du ein vollkommener Bodhisattva« – und das immer in allem. Das Erleuchten geht weiter. Wir können immer noch tiefer gehen, während das, was immer schon vollkommen hier ist, vollkommen hier bleibt und sich nicht bewegt. Aber es durchstrahlt nun immer klarer das ganze Leben.

Padma: Viele Menschen idealisieren Erleuchtung und glauben, das wäre ein Zustand andauernder Glückseligkeit oder übermenschlicher Unberührtheit. Solche Vorstellungen erzeugen oft nur weiteres Leiden. Andere banalisieren Erleuchtung. Sie erklären sich – oder gleich Alle und Alles gleichermaßen mit – nach bloß oberflächlichen Einblicken in ihre wahre Natur für »erwacht« oder »erleuchtet«. Wir laden zu einer nüchternen und tiefgreifenden Selbsterforschung ein, die nicht bei einer neuen spirituellen Identität haltmacht. Es ist möglich, das Licht des Bewusstseins immer weiter dahin scheinen zu lassen, wo bisher Dunkelheit und Unbewusstheit herrschten. In unseren Kursen nutzen wir dafür sowohl traditionelle Selbsterforschung als auch das Enneagramm, Elemente aus Hypnotherapie und NLP und vieles mehr. So be-, durch- und erleuchten wir unser gesamtes Leben. Dann strahlt das unpersönliche Erleuchtungswesen ganz natürlich in Form von Mitgefühl und Klarheit durch unsere Person hindurch. Das kann auch Andere anstecken, mehr daran interessiert zu sein, die Wahrheit herauszufinden, als an Leid erzeugenden Vorstellungen festzuhalten.

Das traditionelle Bodhisattva-Verständnis, das du ansprichst, hat seinen Wert. Es mahnt Menschen, nicht beim Leere-Aspekt von Selbsterkenntnis stehen zu bleiben und nur »darin zu verschwinden«. Das ist zwar ein wesentlicher erster Schritt, aber noch nicht alles. Darüber hinauszugehen hat aber gar nicht so viel mit Verzicht zu tun. Wir und die Teilnehmer unserer Kurse erleben es vielmehr als natürlichen Fluss und pure Freude, uns selbst weiter erwachen zu lassen und uns in den Dienst der Befreiung anderer aus ihrem Leiden zu stellen. Zumal genau das ein wesentlicher Teil der Einsicht ist, die uns in der sogenannten Erleuchtung aufgeht: Dass diese anderen gar nichts anderes sind als dasselbe umfassende Sein, als das wir uns selbst erkennen. Also wer dient dann wem? Und wieso sollten wir das nicht gerne wollen?

Uns scheint sich »eigene« Erfüllung sogar noch zu verstärken, wenn wir sie aus vollem Herzen teilen. Es gibt doch kaum etwas Beglückenderes, als sich mitfühlend und unterstützend zum Wohle aller einbringen zu können. Die Egozentrik, dass es uns nur um mich und meine Freiheit ginge, wäre doch nur ein Bestandteil der gewohnten Ich-Bezogenheit, die uns von Erleuchtung zu trennen scheint.

Wie sieht das praktisch aus? Muss man bei Euch Koans beantworten oder Schularbeiten machen?

Torsten: Mit verwirrenden Koans arbeiten wir nicht – jedenfalls nicht absichtlich. Aber im Ernst: Wir bieten verschiedene Vermittlungsformen an. Stille und geführte Meditationen führen in die direkte Erfahrung von Essenz. Kurze Vorträge begleiten wir meist mit animierten Präsentationen. Vor allem ist uns die direkte Erfahrung wichtig. Viele Partner- und Kleingruppenübungen ermöglichen es den Teilnehmern, ganz praktisch und konkret neue Möglichkeiten des Erlebens und Verhaltens auszuprobieren. Wir hören immer wieder, dass das den Teilnehmern auch sehr viel Spaß macht – ganz anders als unsere gewohnte Schulerfahrung.

Padma: Auf der absoluten Ebene laden wir ein, sich über verschiedene Zugänge mit der Quelle reinen Gewahrseins vertraut zu machen. Im relativen Bereich fördern wir den Zugang zu inneren Ressourcen und tiefen Einsichten, die hilfreich in den Alltag hineinwirken. Wichtig ist uns auch, dass Schattenanteile ans Licht kommen dürfen, wo sie heilsam integriert werden können. Dafür nutzen wir u.a. das Enneagramm als Landkarte, und auch das Integrale Modell nach Wilber liefert uns einen umfassenden Verständnis-Rahmen.

Wie lange dauert das Ganze und wie viele sind dabei?

Torsten: Unsere dreijährige Ausbildung in »Integraler Tiefenspiritualität« teilt sich auf zweimal 1 ½ Jahre auf. Der Grundkurs dient vor allem der Selbsterforschung, im Vertiefungskurs erweitern wir die Fertigkeiten für die Begleitung anderer. Nach weiteren 4 Seminar-Wochenenden ist ein zertifizierter Abschluss zum psychologisch-spirituellen Begleiter möglich. Die bisherigen Gruppen hatten so um die 20 bis 30 Teilnehmer. Sobald wir circa 15 Personen zusammen haben, kann’s von uns aus wieder losgehen!


Torsten Brügge (HP) und Padma Wolff (Dipl. Psych.) leiten in Hamburg zusammen die Praxis für Meditation und Selbsterforschung sowie die Bodhisattva Schule (Ausbildungen in integraler Tiefenspiritualität), www.satsang-mit-torsten.de, www.sevaa.de, www.bodhisat.de